Ich geh keinem auf den Sack

Man will arbeiten dürfen (ohne Festanstellung) und nimmt dafür so einiges an Steinen auf dem Weg, Stöcke zwischen den Beinen und alles, was einen noch so zu Fall bringen könnte, in Kauf. Man denkt erst man hat eine Ahnung, was auf einen zukommt, aber es wird auf jeden Fall noch schlimmer. Aber dann kann man nicht mehr zurück. Und das ist auch gut so. Denn jetzt stellt sich heraus, wer etwas wirklich will und wer denkt:“ Pillepalle, was da immer alle reden. Das ist doch nicht so schwer.“, nur um dann nach ein paar Wochen schon wieder Konkurs anzumelden, weil „och, doch zu anstrengend“.

Man könnte jetzt sagen: Pff, dann bist du doch selber schuld, wenn du dich in der heutigen Zeit selbständig machst. Naja, was ist die Alternative? Ich habe in einem großen Elektrokonzern mit Sitz in Ingolstadt in der Verwaltung gearbeitet. Was bei Arbeitsbeginn noch brandaktuell war und noch gestern hätte erledigt werden sollen, war am Abend Futter für den Aktenvernichter. „Der Chef will die Überschrift jetzt doch in Arial 16, Fett und mittig mit zwei Leerzeilen bis zur Tabelle.“ Wollt ihr mich eigentlich verarschen???? Sagt man ja nicht, man will ja seinen Job behalten. Und lässt sich fremdbestimmt durch den Tag hetzen, ohne Mittag und „Wieso sitzt du? Wieso liegen die Unterlagen noch auf deinem Tisch?“ Man ist von den Hirnfürzen und tagesaktueller Stimmung des Chefs (mindestens eines Chefs. In meinem Fall war es der Obermotz, dann der, der die Befehle an uns weitergegeben hat, und der Speichellecker, der vor lauter Arschkriecherei keine Haare mehr auf dem Kopf hatte) abhängig. Naja, und irgendwann ist man fertig, körperlich, mental, psychisch, hat Schlafstörungen, Magenschmerzen, Panikattacken (man hat ja eigentlich auch noch ein paar Päckchen aus seinem Privatleben zu tragen. Das Päckchen Narzissmus zum Beispiel. Aber darüber berichte ich ein andermal). Und dann kommt der Tag, an dem du einmal zu oft wegen etwas angeschissen (anders kann ich das nicht sagen) wirst, das gestern noch richtig war. Und der Arschkriecher gibt dir den Rest. Und dann beschließt man sich das nicht mehr gefallen zu lassen. Ich wusste ganz schnell wie das für mich ausgeht. Keifendes Weibsvolk in einer Männerwelt wird nicht geduldet. Und wisst ihr was? Mir war es egal. Hauptsache, keiner konnte hinterher sagen: „Also ICH hab davon nichts gewusst!“ Ich habe versucht, Wellen zu schlagen. Egal wie hoch, Hauptsache ich werde überhaupt ernst oder wenigstens wahr genommen. Ich war übrigens nicht die Einzige, der so übel mitgespielt wurde. Aber die anderen haben sich nicht getraut, etwas zu sagen. Ich dachte ich mach das Sprachrohr für die anderen Frauen aus der Abteilung. Aber die hatten alle viel zu viel Schiss und haben mich, wie das immer so ist, auflaufen lassen. Aber egal. Ich war fertig mit dieser frauenverachtenden und mitarbeitermissbrauchenden Firma, die Mobbing und Bossing nicht nur duldet, sondern aktiv betreibt. Zwischendurch musste ich noch einen Job in einer Rechtsanwaltskanzlei annehmen, in der es mir nicht besser erging. Da gingen die Angriffe allerdings von einer Frau aus. Statt miteinander zu arbeiten, flogen hinter mir die Aktenordner (ich hatte wohl etwas nicht in ihrem Sinne erledigt). Eine Cholerikerin par excellence.

Aber wie gesagt: ich wusste wie das für mich ausgeht. Und es war ok. Denn danach konnte ich wieder atmen. Ja, ich hatte Schiss. Ja, der doppelte Boden mit einem sicheren Verdienst war weg. Ja, der Lockdown hat über Monate erst mal alle Türen für mich zugemacht. Aber ich wollte weitermachen. Ich wollte das schaffen. Mit ganz vielen Tiefschlägen, Rückschlägen und Tagen, an denen man alles andere als aufstehen will. Ich wusste nicht, was ich aushalten kann. Erst, als ich es musste. 

Jetzt ist es nur so, dass ich nicht nur einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn habe, sondern auch noch einen Wahnsinnsdickschädel. Also, wenn du mir sagst, dass etwas nicht geht, dann will ich ganz genau wissen, warum nicht. Ist es nur, weil es sich für dich unmöglich anfühlt? Weil das DEINE Grenzen sind? Also ICH mach das. Wenn es nicht klappt bin ich hinterher schlauer. Aber von mir wirst du nicht hören: Lass das bleiben, das funktioniert sowieso nicht. Vor allem wenn es Leute gibt, bei denen etwas funktioniert hat. Dann muss es einen Weg dahin gegeben haben und den werde ich finden. Also halte mich nicht auf. Geht nicht gibt’s nicht. Ich will mir jeden Tag im Spiegel in die Augen schauen und sagen können: Jawoll, gut gemacht. Du bist toll so wie du bist. Du bist auf deinem Weg, du unaufhaltsame, wenn nötig feuerspeiende Powerfrau, der niemand mehr etwas anhaben kann. BÄM!

An dieser Erfahrung habe ich lange geknabbert. Sowas killt jeden Selbstwert, jegliches Selbstvertrauen und das Vertrauen in alle anderen sowieso. Man zieht sich zurück, schottet sich ab. Wie gesagt, man hat ja auch mit den eigenen Dämonen zu kämpfen. Die genau dasselbe gesagt haben: „Du bist nicht gut genug!“. „Du machst das falsch!“. „Du BIST falsch. Du gehörst hier nicht her!“. „Du bist hier unerwünscht!“. „Es ist besser, wenn du gehst!“ und viele andere nette Affirmationen, die sich tief in deinem Bewusstsein einnisten und gegen die du jeden Tag ankämpfen musst. Die große Kunst dabei ist, das nicht zu glauben bzw. eine Methode zu finden, mit der du lernst, dass dich so etwas nicht angreifen kann. Dass es hier nicht um dich als Person geht oder ging, sondern um die anderen um dich herum. Wie dich jemand behandelt, sagt nichts über dich aus. Es sagt etwas über die andere Person aus. Ich habe meine Methode gefunden. Ohne Therapien, Psychologen oder Medikamente. Das hat zwar länger gedauert, viel länger und hat mich durch jedes Tal geschickt, jeden Schatten sehen lassen. Aber ich hab’s geschafft. Was nicht heißt, dass die Erinnerungen nicht mehr da sind. Aber sie haben keine Qualität mehr, keine Schwere. 

Zu mir hat mal jemand gesagt, ich kann gut spiegeln. Dieser jemand ist nicht mehr mit mir befreundet. Ich hab wohl zu viel gespiegelt. Unangenehme Dinge, zu deutlich. Ich glaube mein „Spiegel“ fordert manche Menschen heraus im Sinne von: Der zeig‘ ich’s. Was bildet die sich ein. Und ich kann nur sagen: ich mach das nicht mit Absicht. Mir wäre es lieber, wenn sich manche Menschen nicht von mir angegriffen fühlen würden. Das Interessante ist, meistens lass ich die Leute reden und sie spiegeln sich dann selber. Ups. Da liegt der Hase im Pfeffer.

Jetzt bin ich mein eigener Chef. Die Arbeit, die ich mache, mache ich für mich (Ok, nicht nur für mich, sondern auch für ein Team aus ursprünglichen Frauen, die denselben Ansporn, Anspruch und Antrieb haben wie ich). Hier ist keine Arbeit unnötig. Hier wird nichts für den Papierkorb produziert. Und ich darf auf meinen Körper hören, wenn er eine Pause braucht. Denn man arbeitet jetzt gerne mehr und länger. Ja, ich sag das so. Denn es ist so. Habe ich gesagt, dass es jetzt einfacher oder leichter ist? Nö, bestimmt nicht. Jeder Tag ist eine Herausforderung. Aber davor habe ich keine Angst. Ich hab schon soviel geschafft was ich mir Jahre zuvor nicht zugetraut hätte.

Ich geh keinem auf den Sack. Ich lieg keinem auf der Tasche. Ich bezahl meine Steuern, ich spiele nach den derzeit gültigen Spielregeln. Lasst mich doch einfach machen. Denn hinter jeder Selbständigkeit steckt eine Geschichte, aber bestimmt keine einfache.

Jetzt wollt ihr natürlich noch wissen, was ich mit „ursprünglichen Frauen“ meine. So bezeichne ich Frauen, die mit Herz und Füßen beim Ursprung ihrer Kraft geblieben sind und wissen, dass man nicht gegeneinander arbeiten kann, ohne sich dabei selbst zu schaden. 

Passt auf euch auf, ich helf‘ gerne dabei. 

 

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